Mittwoch, 18. August 2010

Alte Fehde rostet nicht




"Von Bienen und Menschen" - Gestern berichtete die Berliner Zeitung unter diesem Titel über den schwelenden Streit um geplanten Hochspannungsleitungen ins Oderbruch. Ein Problem, das nicht nur in dieser Region besteht. Egal, wie man dazu steht - erstaunlich ist, dass bereits unsere Altvorderen über Sinn, Unsinn, Ästhetik, Naturschutz - und auch die unterirdische Verlegung von Leitungen gestritten haben.
Im Dezember 1928 findet man in der Zeitschrift "Die Mark" einen Artikel von Edmond Potonié: Elektrische Freileitungen und Naturschutz.


Edmund Potonié: Elektrische Freileitungen und Naturschutz (1928)

Jeder Naturfreund und Wanderer wird sich schon öfter über die häßlichen Ueberlandleitungsmasten und die den Himmel zerschneidenden Drähte geärgert haben. Oft werden so die herrlichsten Landschaftsbilder von der Technik verschandelt. Aber auch vom Standpunkt des Vogelschutzes sind die Ueberlandleitungen große Schädlinge: besonders die sog. Hörnersicherungen, Bügel, die mit der Erde verbunden sind, um die ev. gerissene Leitung aufzufangen und abzuleiten und so Unglücksfälle unmöglich zu machen. Diese stellen aber eine schwere Gefahrenquelle für die Vögel dar. Setzt sich ein größerer Vogel auf einen solchen Bügel und berührt dabei mit den Flügeln die Leitung, so muß er notwendigerweise Kurzschluß hervorrufen, und selbst dabei ums Leben kommen. Der in Vogelschutzkreisen wohlbekannte Ingenieur Hermann Hähnle schuf darum eine neuartige Sicherung, die die Gefährdung der Großvögel möglcihst beschränkte, und es ist ihm auch gelungen, ihre Einführung in größerem Stil durchzusetzen.
Es wäre nun ein idealer Gedanke für den Naturfreund, die Hochspannungsleitungen einmal gänzlich verschwinden zu sehen. Auch in Industriekreisen hat man sich schon vielfach mit dem Gedanken unterirdischer Kabelverlegung getragen, da sie macherlei Vorteile bieten würde. Aber die hohen Kosten schoben lange einen Riegel vor. Bis kürzlich Direktor Schraum vom Elektrizitätsverband Weißenfels-Zeitz das geeignete Kabelverlegungsgerät konstruierte. Es besteht im wesentlichen aus zwei Maschinen, dem Grabengagger und dem von ihm nachgeschleppten Kabelwagen. Der Verlegungsvorgang ist folgender: Der Bagger wirft einen Graben von 45 cm Breite und 1,60 m Tiefe aus. Die herausbeförderte Erde gelangt auf den Transporteur, wandert entgegengesetzt der Fahrtrichtung bis kurzu vor den Kabelwagen und fällt über eine drehbare Endshcurre in den Graben zurück. Vom Kabelwagen aus leitet der Zuführungsapparat das von der Trommel ablaufende Kabel über Rollen bis kurz hinter den Bagger und verlegt es in den offenen Teil des Grabens. Gleichzeitig übernimmt der Kabelwagen das Festwalzen des locker nachgeschütteten Erdreichs. Auf diese Weise können, je nach Art der Bodenverhältnisse, in einer Stunde 60-95 m Kabel verlegt werden. Die Kosten eines Kilometers Kabelstrecke betragen 300 Mk. gegenüber 1800- 2000 Mk. bei Handbetrieb. Wenn man bedenkt, daß die bisher üblichen Freileitungen etwa 15 Jahre Lebensdauer besitzen und jährlich Unsummen zur Instandhaltung verschlingen, währende ein Kabel mehr als die dreifache Zeit überdauert und fast keine Unterhaltungskosten verursacht, so erkennt man die große wirtschaftliche und technische Bedeutung der Maschine. Bedeutsamer aber noch ist dieser Fortschritt für den Naturschützer: denn wenn es auch immer noch freie Ueberlandleitungen aus Gründen der Bodenbeschaffenheit und für Höchstspannungen geben wird, so darf man doch hoffen, daß manches schöne Landschaftsbild nun vor den allesumspannenden Drähten sicher sein wird. Leider wird jedoch z.B. die heue Hochspannungsdoppelleitung, die die Havel an landschaftlich schöner Stelle bei Spandau überspannen soll, dennoch gebaut werden; da es ich dort um zu hohe Spannungen handelt.

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